Lesetipp

Mit meinen Lesetipps möchte ich dich einladen zum genussvollen Schmökern am Kamin, auf der Couch, am Strand. Lesen verführt und macht Spaß. Aber Lesen bildet auch, ist gut für die Sinne und das Wohlbefinden. Meine Lesetipps laden dich ein zum Innehalten und auswählen.

Lesetipp 1: Sigrid Lenz

Kimberleys Weihnacht. …und dieses Jahr wird’s richtig schlimm

Kimberleys Familie erwartet ein rauschendes Weihnachtsfest. Bei Kimberley. Das steht fest. Schon lange. Doch Kim wäre nicht Kim, wenn sie es nicht bis wenige Wochen vor dem Fest verdrängen würde.  Die Katastrophen nahen, nicht nur weil Kims Haus ein wenig verwachsen ist, andere würden es vielleicht ungepflegt nennen, sondern auch, weil Kim eine Einzelgängerin ist, die dazu nicht gern kocht. Um das Dilemma abzuwenden, lädt Kim ihre Freundin und Nachbarin Tessa und deren halbwüchsige Tochter mit ein. Diese aber kann auch nicht kochen. Die Frage Gans oder Fischstäbchen ist hier nur die harmlose Frage. Und ob  Werwölfe zur Familie gehören oder nicht, finden Sie am besten selbst heraus. Bei einem Glas Glühwein, vor dem Kamin, während andere den Braten zubereiten, den Sie an Weihnachten essen.

Sigrid Lenz, AAVAA Verlag, 397 Seiten, Mini-Buch, Preis 9,95 €

Lesetipp 2: Ulrike Bail

wundklee streut aus. 47 gedichte über theodora

Ein kraftvoller und doch auch hauchzarter Gedichtband, über die Ent- und Verwicklungen gelebten Lebens. Die Gedichte sind einzeln verstehbar, aber auch als Geschichte der Wandlungen und Begegnungen einer Frau zu lesen, die Widrigkeiten trotzt und aus allem sie Umgebenden Kraft zieht. Ob Naturbetrachtung oder Kommentare aus dem Innenleben, ihre Lebensschwingungen sind mal ironisch, mal ausufernd aber immer warm und über die Sprache ins Zentrum des Daseins treffend. Leichtfüßig und manchmal mit unachtsam übergeworfenen Kleidern begegnet uns in diesem Gedichtband das alltägliche Leben in einer Poesie namens Theodora.

Ulrike Bail, Conte Poesie 12, 100 Seiten, Paperback, Preis 9,90 €

Lesetipp 3: Regina Schleheck

Adventsgeschichte von A bis Z – Hörspiel für Ü-Zehner

gehört und besprochen von Sylvia Tornau

Der dreizehjährige Julius verunglückt am 01.12. und bevor darüber entschieden wird, wie es mit ihm weitergeht muss er 24 Tage an der Pforte warten, die sich im Kopf der Hörenden schnell in die Himmelspforte wandelt. Damit ihm die Zeit nicht so langweilig wird – schließlich gibt es an diesem Ort im Nirgendwo weder Fernsehen noch Playstation “ besucht ihn täglich sein ganz persönlicher Schutzengel “Jungel” und verwickelt Julias in einen 24 Tage währenden Dialog. Jedes dieser Gespräche ist einem Buchstaben gewidmet. Das Erste dem A, das Dritte dem C, das 19. dem S, wie Stall.
Mit diesem Hörspiel werden Heranwachsende an Themen wie z.B. Was ist Chaos?, Woraus besteht Dunkelheit, wer spricht denn von Liebe, jedes Jetzt ist ein Moment, ist dort, wo nichts ist Nichts? oder wonach riecht der Tod?.

Neben den unterhaltsamen Dialogen denken die beiden sich gemeinsam Elfchen aus – ein Elfchen ist ein Gedicht, welches aus elf Wörtern besteht, die in festgelegter Folge auf fünf Zeilen verteilt werden. Julius träumt und vertreibt sich das Warten auf Jungle mit einem Rap. An anderen Stellen erzählt Jungle Julius die Geschichte vom Hamster Goliat und Prinzessin Irmgard oder die Geschichte von Orpheus und Euridike.

Dieses Hörspiel ist eine ansprechend produzierte Anregung zum Nachdenken über sich und die Welt, nicht nur für junge Menschen. Ganz besonders Hervorheben möchte ich allerdings Etwas, das bei der Rezension von Hörspielen in der Regel zu kurz kommt: die voller akustischer Überraschungen steckende musikalische Untermalung von Christian D. Dellacher. Gro?artig!

Regina Schleheck: “Adventsgeschichte von A bis Z – Hörspiel für Ü-Zehner”, Drachenmond Verlag, 2 CDs, EUR 14,95

Lesetipp 4: Anna Gavalda

Kommt, lasst uns leben!

Erst waren es zwei, dann drei, dann vier und plötzlich stand der Tod vor der Tür. Nicht ganz unerwartet taucht er auf im letzten Drittel der Geschichte. Doch zu Beginn des Romans -Zusammen ist man weniger allein- – von Anna Gavalda auf zärtlich-ironische Weise erzählt – steht die Begegnung der magersüchtigen, ihr Talent als Zeichnerin versteckenden, Camille mit dem stotternden Philibert, verarmter Adelssohn der Postkarten im Museum verkauft. Das Quartett vervollständigt sich mit Franck, dem überarbeiteten, dauergestressten Koch und dessen Großmutter Paulette, die mit 83 so krank wird, dass sie fortan im Altersheim leben muss. Vier liebenswert traurige Gestalten, von denen jede für sich das Leben meistert, mal mehr, mal weniger erfolgreich.

An sich wäre die Geschichte einfach nur eine Geschichte von Freundschaft, eine Geschichte vom Leben mit und ohne Liebe, eine Geschichte vom Leben in einer WG. Doch Anna Gavaldas Blick für die Details, die Anteilnahme am Schicksal jedes einzelnen der vier Protagonisten und die vorbehaltlose Akzeptanz der jeweiligen Macken und der Art, wie das Leben bewältigt wird, machen diesen Roman zu einem Kleinod der Unterhaltungsliteratur. Mit Leichtigkeit erzählt die Autorin von der Schwere des Daseins und verdeutlicht, dass es wichtig ist, im Leben Ziele zu verfolgen, dass es aber noch wichtiger ist, in freundschaftlichem Kontakt mit anderen zu sein. Wenn die Ideen, die Kraft und Energie des Einen versiegen, gibt es da immer noch die Andere, der etwas einfällt und umgekehrt.

-Zusammen ist man weniger allein- ist unbedingt lesenswert für alle, die sich manchmal einsam fühlen, skurrile Mitmenschen mögen und von einem unkonventionellen Zusammenleben träumen. Berührungen mit der Rauheit des Lebens sind im Lesevergnügen ebenso inbegriffen wie die Sentimentalität der Betrachtung von Träumen und schönen Landschaften.

Zusammen ist man weniger allein Anna Gavalda, 13. Aufl., Fischer (Tb) 2006, 560 Seiten, 9,95 €

Lesetipp 5: Margarete Federkeil Gaitzsch

Kindes Land

Der Briefträger kommt noch mal. Ich sehe ihn schon von weitem. Da kriege ich Angst. Und laufe schnell zu meiner Mutter. Sie macht den Brief auf. Und wird ganz weiß. Sie schreit laut zu dem Briefträger. Doch der rennt schnell den Berg runter. Dieser Verbrecher hat ihn auf dem Gewissen, schreit meine Mutter. Immer wieder. Dieser Verbrecher!

Die Kinderjahre des Mädchens Marga, beschreibt Mararete Federkeil Gaitzsch in ihrem Buch. Marga, vor dem Zweiten Weltkrieg im Ruhrgebiet geboren, wird mit Mutter und Schwester ins Allgäu zu einer Bauernfamilie evakuiert. Eine fremde Welt, in die sie sich schnell eingewöhnt. Marga dem Kind, selbst noch fremd im Leben, fällt die Orientierung in neuer Umgebung noch nicht schwer. Die Protagonistin Marga erzählt mit kindlicher Stimme Alltagsbegebenheiten. Eine Aneinanderreihung von Erinnerungssplittern hervorgekramt aus einem Kinderhirn. Da wird keine Auswahl an Gewichtung und Bedeutung getroffen, sondern das Seilhüpfen mit Freundinnen steht auf gleicher Bedeutungsebene wie Ausgebombt werden, der Verlust der Puppe Helga, die zaghafte Sehnsucht nach Brüsten und späterer fraulicher Schönheit, die Entscheidung zwischen Mittelschule und Gymnasium.

Margarete Federkeil Gaitzsch berichtet aus der Sicht des Kindes vom Leben in den letzten Kriegsjahren und den Jahren danach. Für das Kind spielt der Krieg nur am Rand eine Rolle. So wird der Verlust des gefallenen Patenonkels für Marga dadurch greifbar, dass sie von nun an auf den Groschen verzichten muss, denn er ihr immer schenkte. Kein Groschen mehr, dass heißt, kein Patenonkel mehr.

Die lyrische Stimme der Autorin

Die zweite Stimme im Buch ist die lyrische Stimme der Autorin. Dieses Zusammentreffen der beiden Erzählstimmen macht für mich den Sog dieses Buches aus. Immer dann, wenn ich wütend ob der für mich nervenden, gewollt kindhaften Erzählsprache das Buch aus der Hand legen wollte, stand da ein Gedicht und raffte in seiner Kurzform das kindliche Erleben mit dem erwachsenen Erinnern zusammen. Eine merkwürdige Mischung, die es schaffte, mich am Lesen zu halten, obwohl mir Margas Sprache zutiefst zuwider ist.
Der Buchdeckel ist zu und zurück bleibt eine nachdenkliche Leserin mit Milieubildern aus unbekannter vergangener Zeit.
Im Dezember 2008 erhielt die Autorin von den „SalonLöwinnen“ einen Preis für ihre erste Buchveröffentlichung.

Kindes Land- Ein ProsaPoem von Margarete Federkeil Gaitzsch, assoverlag 2008,Euro: 14,90

Lesetipp 6: Renate Härtl

Bei Liebe Tod

Ein ungewöhnliches Buch hat Renate Härtl hier vorgelegt. Der Umschlagtext verspricht einen “hochspannenden Thriller – so lebendig wie ein Drehbuch“, die Aufteilung in 86 Bilder erinnert an die Akte eines Theaterstückes.
Inhaltlich geht es um nichts Geringeres, als um das Überleben in den Städten des reichen Westens. Es geht um Beziehungen, Vertrauen, Liebe oder eben um die Unfähigkeiten zu lieben, zu vertrauen, sich zu binden. Es geht um Drogen, Geld und Machtmissbrauch und es geht, wie sollte es bei einem Thriller anders sein, um Mord und andere Todesfälle.
Die Figuren stehen gleichwertig nebeneinander. Einzig Lily ist als Hauptfigur erkennbar, vor allem dadurch, dass sie in mindestens 53 der 86 Bilder direkt oder indirekt eine Rolle spielt.
Die Figuren in diesem Buch verstören. Keine ist wirklich ein Sympathieträger, keine ein wirklich böser Schurke. Alle sind wie sie sind, was sie sind. Wobei letzteres nicht immer klar ist. Renate Härtl psychologisiert nicht, sie zeigt. Der Text gleicht den Bildbeschreibungen von Fotografien, auf denen immer die gleichen Menschen in verschiedenen Posen, Zusammenhängen zu sehen sind. Das lässt den Text ein wenig unterkühlt wirken und erzeugt gleichzeitig eine fast unerträgliche Spannung.
Betrachtete man ein Fotoalbum, so wäre die Wirkung eine ähnliche. Mit wem steht X da? Was für eine Rolle spielt der verschwommene Mann im Hintergrund? Lächelt er? Warum?
So sehr wie ein Fotoalbum die Beantwortung dieser Fragen der Phantasie der Betrachterin überlässt, so sehr überlässt Renate Härtl die Beantwortung auftretender Fragen der Phantasie der Leserin. Das macht dieses Buch so ungewöhnlich und spannend.
Sicher ist „Bei Liebe Tod“ keine leichte Kost für geübte Leserinnen der heute marktüblichen, psychologisierenden Thriller, aber es ist eine Entdeckung für alle, die literarischen Experimenten gegenüber offen sind und sich gern überraschen lassen.

Renate Härtl: Bei Liebe Tod. Athene Media Verlag, 2011, 12,95 €

Lesetipp 7: Jutta Dornheim

„Katzenmann – Roland – Faule Grete. Ein Bremen-Roman in Geschichten“

Wie der Untertitel es schon sagt, erzählt dieses Buch in kurzen, in sich geschlossenen und trotzdem im Zusammenhang lesbaren Geschichten von einer Entdeckungsreise durch Bremen, Bremerhaven und Umland.
Hannah, philosophisch interessierte und schreibende Alltagsforscherin, betrachtet die erlebten Orte und die erfahrenen, erlesenen Geschichten unter dem Blickwinkel einer Frau, die überlegt ihre Zelte dauerhaft in Bremen aufzuschlagen. Begleitet wird sie dabei von ihrer Freundin Iris, einer Gymnasiallehrerin. Iris wiederum entdeckt die Stadt in der sie lebt durch die Auseinandersetzung mit der Freundin teilweise neu.

Jutta Dornheim nimmt ihre LeserInnen mit auf eine unterhaltsame Reise in die Hansestadt. Dabei erfahren die Reisenden nicht nur reale Orte, sondern auch etwas über die Stadtgeschichte und das kulturelle Leben Bremens. Sie begegnen mutigen Frauen wie Anna Lühring, deren Geschichte fast vergessen und überregional unbedeutend ist, die aber als Sinnbild vergangener Frauenleben durchaus erzählenswert ist (Heimliche Soldatin aus der Braustraße). Und sie begegnen eigenwilligen, aber großartigen Menschen, wie dem seinem verstorbenen Tier noch immer treuen Katzenmann (Das Paradies ist hier) oder der Städtereisenden mit schmalen Budget, die trotz ihrer Armut ihre Neugier und das kulturelle Interesse noch lange nicht verloren hat (Zwischen Reisenden und Räubern).
Der Autorin gelingt es in ihrem Buch, den Spannungsbogen von der Bremer Historie (VIPs auf dem Freimarkt) bis hin zu aktuellen politischen und kulturellen Ereignissen zu ziehen (Magnetfelder). Historische Orte wie ‚Der Elefant’ oder Persönlichkeiten mit kurzer oder langer Bremenberührung (Engels, Heine, Marcks, Modersohn-Becker) – viele der kurzen Begegnungen machen neugierig auf mehr: Mehr Geschichten. Mehr Wissen. Mehr Bremen.
Das Buch lässt sich auch lesen als eine Einladung zu einem Kurztrip nach Bremen.

Die Zeichnungen von Norbert Schneider

Nicht unbeachtet lassen möchte ich die Zeichnungen von Norbert Schneider, mit denen die individuellen Betrachtungen Bremens in den Geschichten nicht nur umrahmt und illustriert, sondern aromatisiert werden. Jede der Geschichten erhält durch die Zeichnungen noch einmal einen ganz eigenen Geschmack, eine Erweiterung der an sich schon sehr bekömmlichen Kost. Ein vom Verlag kostenfrei mitgeliefertes Sahnetüpfelchen.

Unbedingt für die nächste Bremenreise einpacken. So gelingt auch den Ortsfremden eine ganz eigene Annäherung an die Stadt und die Menschen, die in ihr wohnen.

Jutta Dornheim „Katzenmann – Roland – Faule Grete. Eine Bremen-Roman in Geschichten“ Kellner Verlag. Bremen 2011. 168 Seiten. 9,90 €

Lesetipp 8: Thea Dorn

Die neue F-Klasse. Wie die Zukunft von Frauen gemacht wird 

Dieses schon 2006 vom Piper Verlag veröffentlichte Interviewbuch entdeckte ich zufällig beim Durchschlendern der Bibliothek der Bundeszentrale für politische Bildung. Prinzipiell ein Ort, an dem ich nicht mit einem Titel der Krimiautorin Thea Dorn gerechnet habe.
In 11 Interviews geht Thea Dorn der Frage nach, ob die heutigen jungen Frauen den Kampf um die Gleichberechtigung verloren haben, weil sie zu sehr damit beschäftigt waren, sich vom Feminismus zu distanzieren und sie fragt nach dem Wie weiter?

Aufgeben. Abfinden. Hinnehmen, das ist eindeutig keine Lösung. Frau Dorn bezieht im Vor- und Nachwort eindeutig Stellung dazu, dass es in Deutschland noch immer nicht weit her ist, mit der Gleichberechtigung. Die Basics sind geschaffen, aber wie weiter? Den Rückzug ins Private lehnt sie vehement ab, vielmehr setzt sie auf die Vorbildwirkung von Avantgarde-Frauen, zu denen sie ihre Interviewpartnerinnen zählt. Egal ob Anwältin, Politikerin, Moderatorin, Köchin, Psychiaterin, Ingenieurin oder Weltmeisterin im Eisklettern, diese Frauen legen vor. Sie sind gebildet, mit und ohne Kinder, mit oder ohne Partner und sie verbindet eines: sie machen Karriere in Berufen, in denen Frauen in Leitungspositionen bis heute die Ausnahme sind.

Ein an sich ‚trockenes’ Thema, das bei der einen oder anderen Leserin schon mal ein Augenrollen hervorruft. Aber trocken ist dieses Buch nicht. Die Interviews sind authentisch und spannend und einige, wie z.B. das Gespräch mit der Berufsberaterin Uta Glaubitz, sprühen vor Witz.
Unbedingt Lesenswert. Ein Mutbuch für Frauen, ihren ganz eigenen Weg mit ganz eigenen, weiblichen Netzwerken zu gehen.

Thea Dorn: Die neue F-Klasse. Zum bestellen: Bundeszentrale für politische Bildung

Lesetipp 9: Eva Förster

Weit Gehen – Gedichte 

Mit ihrem Debüt als Lyrikerin wagt sich Eva Förster, Publizistin und Theaterkritikerin mitten hinein ins Menschliche. Sehnsüchtig, wartend, trauernd und gierend, die Texte lesen sich wie situationsabhängige Zusammenfassungen menschlichen Lebens, gesprochen von der Stimme aus dem Off. Gerade das scheinbar Unbeteiligtsein dieser Stimme, die den Beobachtungen zugrunde liegende Lakonie ermöglicht der Leserin ein Beteiligtsein, ein Hineingezogenwerden in den Text, die Situation. Dieses seziermesserscharfe Hindeuten auf das ‚Hier, Jetzt und So ist es’ kann sich einen Augenblick, eine Zeile später allein durch ein Augenzwinkern, eine leichte Bewegung der Luft oder das Eindringen eines Gedankens in den Kopf der Leserin in das genaue Gegenteil des eben klar Empfundenen wandeln. So z.B. in dem Gedicht „Der Kriecher“: Da saß er./ Sein Schließmuskel/ entließ/ Wirbel/ für Wirbel./ Als alles heraus war,/ fiel er vornüber./ Die Menschen staunten/ und sagten:/ Seht an, er hatte ein Rückgrat!

Die Gedichte in diesem Band wecken tief in uns schlummerndes Wissen und offene Seins-Fragen. Beim Lesen wird klar, da ist sich eine ganz nah und stellt sich dem Leben maskenlos, erwartet Befriedung der eigenen Seele im Inneren, in der Akzeptanz der eigenen Vielheit. So gelesen in „Erkenntnis“: In mir hockt ein Kind/ mit Matrosenkragen/ und wenn SIE die Braue hebt,/ bekomm ich’s mit der Angst.

Meine Empfehlung – Unbedingt lesen!

Eva Förster gelingt in ihrem Gedichtband der Spagat zwischen den kleinen Details des alltäglichen Lebens und den dahinter liegenden großen Gedanken. Die Mechanismen der Verunsicherung, das Wechselspiel von anziehen und abstoßen, von Stillstand und Bewegung werden ebenso schonungslos aufgezeigt wie die Gier in Liebesbegegnungen und der Schmerz von Abschieden. Die Gedichte beschönigen nichts, aber sie verdammen auch nicht. Sie sind dem Leben zugewandt. Ein wenig atemlos vielleicht, angesichts der allgegenwärtigen Vergänglichkeit, aber immer Ja-Sagend zum Sein, zum Leben.

Mit dem vorliegenden Gedichtband lädt die Autorin ein zum Lebens-Ja, in jeder Sekunde, in jedem Innehalten und Vorwärtsstürmen. Symbolisch für diese Einladung scheinen die letzten drei Seiten des Bandes: drei leere, linierte Seiten, auf denen die Leserin ihre eigene Fortsetzung schreiben kann.
Unbedingt selber lesen und verschenken!

Eva Förster „Weit Gehen“, Verlag Hans Schiller, Berlin, 74 S., 16 €

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Hallo, ich bin Sylvia

systemische Therapeutin, Trauma-Coach und Bloggerin. Seit über 20 Jahren arbeite ich mit Paaren, Familien und Einzelpersonen daran, negative Kindheitsprägungen und frühe Traumata zu lösen und ein Leben voller Selbstvertrauen, inneren Frieden und emotionaler Stabilität zu führen.
Für ein erfülltes Leben in Verbundenheit.

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